Das Aachener Rathaus
Von der karolingischen Königshalle zum spätmittelalterlichen Krönungspalast
Habilitationsprojekt Dr.-Ing. Judith Ley
Das Rathaus der Stadt Aachen birgt in seiner Bausubstanz einen der bedeutendsten mittelalterlichen Herrschaftsbauten des deutschsprachigen Raums. Der Bau geht auf die um 800 errichtete Königshalle Karls des Großen zurück, die zum Bauensemble der Pfalz Aachen gehörte. Sie wurde ab 936 von den in Aachen inthronisierten deutschen Königen genutzt, u.a. um dort das Krönungsmahl abzuhalten. Die in der Romanik noch einmal tiefgreifend restaurierte Halle kam um 1330 schließlich in die Hände der Stadt und wurde zum Rathaus umgestaltet. Dieses Gebäude galt weiterhin auch als Palast, da die Könige sowohl die neue prachtvolle zum Markt ausgerichtete Figurenfassade als auch den integrierten Krönungssaal für ihre zeremoniellen Auftritte nutzten.
Der stets hohe machtpolitische Rang des Ortes lässt erwarten, dass die Entwicklung gerade dieses Gebäudes besonders deutlich widerspiegelt, wie der Bautyp des herrschaftlichen Saalbaus von der Antike bis zum Ausgang des Mittelalters modifiziert wurde. Trotz dieser Bedeutung sind eine systematische Untersuchung und Analyse seiner Bausubstanz wie auch eine kritische Interpretation seiner immer wieder veränderten Formensprache bis heute Desiderate der Baugeschichte.
Ziel des von der DFG geförderten Forschungsprojektes ist eine zusammenhängende bauhistorische Erforschung des mittelalterlichen Gebäudes und seiner Veränderungen. Basierend auf einer in Kooperation mit dem “Investitionsprogramm nationale UNESCO-Welterbestätten” erstellten modernen Baudokumentation und der Auswertung mehrerer früher begonnener, zumeist aber unpublizierter Dokumentationen aus dem 19. und 20. Jahrhundert sollen zunächst fundierte Rekonstruktionsvorschläge für die unterschiedlichen Bauzustände erarbeitet werden. Dabei spielt die Einbindung des Gebäudes in die Pfalzanlage bzw. die Stadt Aachen eine maßgebliche Rolle.
Welche Stellung die Aachener Aula in der Entwicklung herrschaftlicher Architektur in Europa einnahm, soll schließlich durch eine Gegenüberstellung mit anderen antiken wie mittelalterlichen Saal- und Palastbauten herausgearbeitet werden. Hierbei geht es gleichermaßen um die Konzeption zeremonieller Raumprogramme, die Deutung der Formensprache wie auch die Herleitung der angewandten, oft komplexen baukonstruktiven Lösungen. Das Thema zeigt, wie sich die Raumvorstellungen und die Raumorganisation in den Epochen gewandelt und die europäische Architekturauffassung bis heute geprägt haben.